Behind the Screens: Wie man wirkungsvolle Influencer-Kampagnen plant, die #durchdieDeckegehen -- Interview mit Molly Tullis, Bereichsleiterin Social Strategy
Influencer Marketing hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Baustein moderner Markenstrategien entwickelt. Doch wie schafft man es, Kampagnen zu kreieren, die nicht nur auffallen, sondern auch Vertrauen aufbauen und echte Ergebnisse liefern? Molly Tullis, eine Expertin in diesem Bereich, nimmt uns in diesem Interview mit hinter die Kulissen des Influencer Marketings. Sie teilt ihre persönlichen Erfahrungen, erklärt, warum Authentizität trotz wachsender Skepsis unverzichtbar bleibt, und zeigt, wie sich die Branche gewandelt hat – von der reinen Produktwerbung hin zu langfristigen strategischen Partnerschaften. Erfahren Sie mehr über die zentrale Rolle von Mikro-Influencern und darüber, wie Marken den Influencer-generierten Content in weiteren Marketingkanälen nutzen können. Egal, ob Sie am Anfang stehen oder Ihre Strategien verfeinern möchten – dieses Gespräch liefert wertvolle Tipps und spannende Einblicke in eine der dynamischsten Branchen der heutigen Zeit.
Jenna: Molly, Sie sind jetzt schon fast ein Jahrzehnt im Influencer Marketing aktiv. Wie haben Sie begonnen, und warum hat Sie gerade Influencer Marketing so begeistert?
Molly: Das war eher ein glücklicher Zufall! Ich habe mich schon immer für kreative Bereiche interessiert und ein Studium im Bereich Werbung und PR mit einer Spezialisierung auf Social Media gemacht. Im letzten Studienjahr fehlte mir noch ein Credit und statt eines Kurses konnte ich mich für ein Projekt über Influencer Marketing entscheiden – ein Bereich, der damals groß im Kommen war. Um das Thema besser zu verstehen, habe ich mich einfach selbst als Influencerin ausprobiert – und das hat tatsächlich geklappt! Nach dem Studium war ich dann bei Ogilvy & Mather und habe im Social-Media-Team mitgearbeitet. Das war genau die Zeit, in der Influencer Marketing von einem Experiment zu einer echten Strategie für Marken wurde. Ich wusste, wie’s funktioniert, und konnte unseren Kunden helfen, ihre ersten Influencer-Kampagnen aufzubauen. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort!
Jenna: Was war das Thema Ihres Abschlussprojekts? Und in welchem Bereich haben Sie begonnen, Content zu erstellen?
Molly: Mein Abschlussprojekt war eine Analyse des Aufstiegs des Influencer Marketings und der Art, wie persönliche Marken kommerzialisiert werden können. Ich war fasziniert davon, dass man die eigene Persönlichkeit in etwas Marktfähiges verwandeln kann. Um das Ganze praktisch auszuprobieren, habe ich einen Lifestyle-Blog gestartet, auf dem ich Produktbewertungen, persönliche Geschichten und Tipps geteilt habe. Innerhalb von ein paar Monaten hatte ich Kooperationen mit Marken wie Nike, Sephora und Covergirl – eine unglaubliche Erfahrung für eine Studentin! Bei diesem Projekt habe ich gelernt, wie man eine persönliche Marke aufbaut, mit einer Community interagiert und Inhalte erstellt, die ankommen. Vor allem aber habe ich verstanden, wie Influencer die Lücke zwischen Marken und Konsumenten auf eine authentische Weise schließen können. Genau diese Authentizität hat mich von Anfang an fasziniert, auch wenn dieser Begriff heute kritisch diskutiert wird.
Jenna: Authentizität ist ein gutes Stichwort. Wie hat sich das Thema über die Jahre verändert und was sorgt für Kritik?
Molly: Früher waren Influencer und Influencerinnen erfolgreich, weil sie ehrliche und ungefilterte Perspektiven einbrachten und einen krassen Gegenpol zu traditioneller Werbung verkörperten. Aber je größer die Branche wurde, desto mehr kamen Skandale auf: Fake-Bewertungen, geschönte Inhalte und so weiter. Ein Beispiel: Letztes Jahr hat eine bekannte TikTok-Beauty-Influencerin eine Mascara beworben. Später kam heraus, dass sie im Video künstliche Wimpern getragen hatte. Das ist Betrug und macht skeptisch. Zwar vertrauen die Leute Influencern immer noch mehr als der traditionellen Werbung, aber sie sind kritischer geworden und merken schnell, wenn etwas unecht wirkt. Authentizität erfordert nicht nur Transparenz, sondern auch perfekte Harmonie zwischen Influencer und Marke.
Jenna: Das heißt, Authentizität ist nach wie vor entscheidend?
Molly: Absolut! Sie ist wichtiger denn je. Menschen folgen Influencern, weil sie deren persönliche Perspektiven und Zugänge lieben. Marken sollten deshalb darauf achten, mit Influencern und Influencerinnen zusammenzuarbeiten, die ihre Produkte wirklich mögen und tatsächlich nutzen, im Idealfall schon vor der Zusammenarbeit. So entsteht Vertrauen, und man stellt sicher, dass sich die Inhalte natürlich und nicht konstruiert anfühlen – wie oft bei klassischer Werbung.
Jenna: Wie hat sich die Branche in den letzten Jahren verändert?
Molly: Da hat sich viel getan. Als ich angefangen habe, waren Blogs und längere Texte die primären Medien. Heute dominieren kurze Videos auf Plattformen wie TikTok oder Instagram-Reels. Auch die Art der Zusammenarbeit hat sich verändert: weg von einmaligen Posts, bei denen Influencer reine Werbemittel sind, hin zu langfristigen Partnerschaften. Viele Influencer sind inzwischen wie freie Kreative, die Content für alle möglichen Marketingkanäle liefern. Ich habe zum Beispiel schon an Kampagnen gearbeitet, bei denen Influencer-Bilder als Produktfotos auf Amazon genutzt wurden. Die sehen oft echter aus als klassische Stockfotos und wirken dadurch viel besser. Marken nutzen Influencer-Inhalte mittlerweile auch für E-Mail-Marketing, E-Commerce oder sogar als bezahlte Anzeigen. Es ist fast so, als hätte man einen „Lead-Influencer“ statt einer Lead-Agentur.
Jenna: Auf welche Dinge sollte man beim Abschluss eines Vertrages mit einer Influencerin achten? Was ist wichtig, wenn man längere Kooperationen oder die Nutzung der Inhalte auf mehreren Kanälen plant?
Molly: Mein wichtigster Tipp: Dokumentieren Sie alles – wirklich alles! Es gibt kein Detail, das zu unwichtig ist. Im Vertrag sollte beispielweise stehen, welche Plattformen genutzt werden, welche Accounts und Handles, wie lange die Inhalte online bleiben, ob sie im Feed oder in den Storys erscheinen oder beides. Soll es einen Link in der Bio geben? Welche Hashtags müssen verwendet werden? Außerdem sollte klar geregelt sein, wie viele Überarbeitungsrunden möglich sind und ob Konkurrenzklauseln gelten. Ich füge oft auch das kreative Briefing und die „Dos and Don’ts“ der Marke mit in den Vertrag ein. Die umfassende Dokumentation schützt beide Seiten – die Marken und die Influencer – und sorgt dafür, dass es später keine bösen Überraschungen gibt.
Jenna: Gibt es ein klares Verständnis dafür, was Influencer Marketing bedeutet? Oder begegnet man oft falschen Vorstellungen und unrealistischen Erwartungen?
Molly: Es gibt schon Missverständnisse. Viele haben einen Tunnelblick und denken, Influencer Marketing sei oberflächlich und nicht mehr als ein Selfie auf Instagram oder ein Tänzchen auf TikTok. Dabei kann man so viel mehr machen: eine vielfältige Multi-Channel-Strategie inklusive Zielgruppenanalyse und einem klaren Plan, der strategisch umgesetzt wird. Ein anderer Irrglaube ist, dass nur Mega-Influencer etwas bringen und man ein Riesenbudget benötigt. Das stimmt nicht. Gerade Mikro- und Nano-Influencer können sehr attraktiv sein, weil sie oft höhere Engagement-Raten und ein engeres Verhältnis zu ihrem Publikum haben. Das macht sie besonders für Nischenkampagnen wertvoll. Selbst große Marken arbeiten mittlerweile oft mit kleineren Influencern, weil sie authentischer rüberkommen. Also: keine Angst vor kleinen Projekten!
Jenna: Sie haben in vielen Branchen gearbeitet. Gibt es Unterschiede bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen?
Molly: Viele denken bei Regulierung an Finanzen oder die Pharmaindustrie. Tatsächlich gibt es überall viele Vorschriften. Selbst bei scheinbar banalen Konsumgütern habe ich viel mit rechtlichen Beurteilungen zu tun gehabt. Ganz egal, um welche Branche es sich handelt: Rechtsteams, Influencer und Marketer müssen gut zusammenarbeiten, um Kampagnen zu entwickeln, die sowohl effektiv als auch gesetzeskonform sind.
Dass alles von Beginn an perfekt läuft, ist eher selten, aber wer flexibel ist, kann auch Herausforderungen in Erfolgsgeschichten umwandeln.
Jenna: Was sind die häufigsten Fehler, die Marken bei der Zusammenarbeit mit Influencern machen?
Molly: Der größte Fehler ist, Influencer wie Schauspieler zu behandeln und nicht als strategische Partner. Influencer sind Experten für ihre Community oder selbst Teil davon und wissen, was funktioniert und was nicht. Genau deshalb sucht man ja die Zusammenarbeit mit ihnen. Man muss Influencern ihre eigene Perspektive zugestehen und sie in den kreativen Prozess einbinden. Stark geskriptete Inhalte wirken oft unnatürlich und floppen. Natürlich gibt es bestimmte Vorgaben, die eingehalten werden müssen, aber man sollte den Influencern möglichst viel Freiraum geben, Inhalte auf ihre eigene Art und Weise zu gestalten und ihren Interaktionsstil mit ihrem Publikum umzusetzen. Nur das macht eine Kampagne authentisch und erfolgreich.
Jenna: Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem eine Kampagne nicht so lief wie geplant? Wie reagiert man da am besten und was kann man daraus lernen?
Molly: Klar, sowas passiert immer wieder. Einmal hatten wir ein Kochrezept als Kampagneninhalt, das total gefloppt ist. Vor allem bei längeren Partnerschaften muss man in solchen Fällen sofort reagieren, und am besten hilft: zurück an den Start! Was wollen wir eigentlich vermitteln und an wen? Wie können wir es anders versuchen? In unserem Fall haben wir analysiert, dass das Rezept die Zielgruppe – Eltern – wohl einfach nicht angesprochen hat, weil es zu aufwendig war. Eltern haben oft keine Lust oder Zeit für etwas, das 45 Minuten dauert. Wir haben es dann im Videoformat mit kurzen Snack-Ideen ausprobiert. Das hat super funktioniert und die Kampagne für das gesamte Jahr gerettet. Manchmal liegt es auch gar nicht am Inhalt, sondern an Algorithmen – Meta und Konsorten sitzen ja quasi auch immer mit am Tisch. Dass alles von Beginn an perfekt läuft, ist eher selten, aber wer flexibel ist, kann auch Herausforderungen in Erfolgsgeschichten umwandeln.
Jenna: Apropos Erfolgsgeschichten: Wie messen Sie den Erfolg einer Influencer-Kampagne? Welche Kennzahlen sollte man heranziehen?
Molly: Viele denken, eine Kampagne sei erfolgreich, wenn sie „viral geht“. Aber das ist kein klares Ziel. Ich frage Kunden immer zuerst nach ihren Zielen: Wollen sie die Verkäufe steigern? Mehr Sichtbarkeit? Viele Interaktionen? Davon hängt ab, welche Kennzahlen wir nutzen. Wenn es um Gutscheincodes geht, schauen wir zum Beispiel auf die Nutzung und den Umsatz. Wer seine Reichweite steigern will, analysiert Impressionen oder Kommentare. Die Kampagnenziele ergeben sich auch aus der Phase im Marketing-Funnel, in der man sich befindet, und das sollte man vorab klären.

Jenna: Wie beeinflusst Ihre eigene Erfahrung als Content-Creator Ihre Arbeit?
Molly: Die gibt mir einen klaren Vorteil, weil ich beide Seiten kenne – die der Marken und die der Influencer. Ich weiß, wie viel Arbeit in der Content-Erstellung steckt und wie wichtig kreative Freiheit und faire Bezahlung sind. Gleichzeitig verstehe ich auch, was Marken brauchen und wie realistische Erwartungen aussehen. Diese doppelte Perspektive hilft mir, eine Brücke zwischen beiden Seiten zu schlagen und sicherzustellen, dass Kampagnen für alle Beteiligten ein Erfolg sind.
Jenna: Was macht Ihnen an der Arbeit im Influencer Marketing am meisten Spaß?
Molly: Das Schönste ist, wenn eine Kampagne, die ich mitentwickelt habe, richtig gut ankommt – nicht nur bei der Marke, sondern vor allem beim Publikum. Wenn sich Follower für den Influencer über eine Zusammenarbeit freuen und in den Kommentaren Dinge stehen wie „Wow, du redest schon so lange über diese Marke und jetzt arbeitest du endlich mit ihr zusammen. Ich freue mich so für dich!“ Das ist der Moment, in dem ich weiß, dass wir alles richtig gemacht haben. Und das gilt nicht nur für Produktwerbung. Bei gemeinnützigen Projekten oder Kampagnen zur Aufklärung über Krankheiten sieht man oft, dass Menschen Erkenntnisse haben, die ihnen weiterhelfen und für sie wichtig sind. Da bekomme ich viel zurück!
Jenna: Zum Abschluss würde mich noch interessieren, wie Sie die Zukunft des Influencer Marketings beurteilen. Gefährden das Kommen und Gehen einzelner Plattformen oder die Unsicherheiten rund um TikTok die gesamte Branche?
Molly: Solange es soziale Medien gibt, wird es Influencer Marketing geben. Menschen reden nun mal gern über Dinge, die ihnen wichtig sind – egal, welche Plattform gerade angesagt ist. Influencer Marketing bleibt sozusagen ein „Matchmaking-Service“. Die richtigen Influencer mit der passenden Marke zusammenzubringen, wird auch in Zukunft eine der effektivsten Möglichkeiten sein, ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Botschaft in die dort stattfindenden Diskurse einzuschleusen. Ich bin sehr zuversichtlich und gespannt, wie es weitergeht!
Jenna: Molly, vielen Dank für das Gespräch! Ihre Tipps und Einblicke in die dynamische Welt des Influencer Marketings sind unglaublich spannend und werden unseren Lesern sicher weiterhelfen. Es war mir eine Freude, mit Ihnen zu sprechen.