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Fehlkäufe: Das 9-Milliarden-Euro-Problem
9 von 10 Personen in Deutschland tätigen von Zeit zu Zeit Fehlkäufe. Im Einzelfall mögen der kratzende Pullover oder das zu leistungsschwache Tablet auch in Zeiten hoher Inflation und sinkender Kaufkraft lediglich ein Ärgernis sein. Auf Ebene der Gesamtbevölkerung lösen Fehlkäufe jedoch einen immensen Schaden aus. Ihren Umfang beziffert eine aktuelle Studie des Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) auf knapp 9 Milliarden Euro in den vergangenen zwölf Monaten. Die meisten Fehlgriffe passieren beim Online-Shopping.
Doch die gute Nachricht zuerst: Fehlkäufe werden seltener mit steigender Lebenserfahrung. Während 95 Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren angeben, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einen Fehlkauf getätigt zu haben, geht der Anteil bei Personen zwischen 60 und 74 Jahren auf 82 Prozent zurück. Noch aussagekräftiger ist der Rückgang bei der Höhe der Ausgaben. So geben Best-Ager an, in den vergangenen zwölf Monaten 45 Euro für Fehlkäufe ausgegeben zu haben. Die 18-29-jährigen haben im selben Zeitraum nach eigenen Angaben mit 368 Euro etwa achtmal mehr für Dinge bezahlt, die sie im Nachgang als Fehlkauf bewerten.
Über die Hälfte der Fehlkäufe verbleiben – nicht selten ungenutzt – beim Kunden oder landen im Müll
Die meisten Fehlkäufe werden online getätigt, wobei zwischen sortimentsübergreifender Online-Plattform und Online-Fachhandel kaum ein Unterschied besteht. Deutlich seltener zu Fehlkäufen kommt es hingegen beim stationären Handel. Mit einem Anteil von 8,2 Prozent ist der stationäre Fachhandel der Ort, an dem Fehlkäufe am seltensten vorkommen. Der Unterschied geht in erster Linie zurück auf Personen zwischen 60 und 74 Jahren, die stationär deutlich seltener danebengreifen als beim Onlinekauf. Die Konsequenzen der vielen Online-Fehlkäufe sind zweischneidig. So wickeln die meisten Onlineshops Retouren für Verbraucher kostenfrei ab, was diese ein Stück weit vor einem finanziellen Schaden durch Fehlkäufe schützt. Davon wird auch intensiv Gebrauch gemacht: Das Produkt an den Händler zurückzugeben ist die Maßnahme, die am häufigsten im Kontext Fehlkäufe angewendet wird. Die daraus resultierenden Retouren belasten aber nicht nur das knappe Zeitkonto der Kundinnen und Kunden, sondern – da die Produkte nach der Auslieferung wieder zum Händler zurückgebracht werden müssen – auch die Umwelt. Die wird durch zusätzlichen unnötigen Müll auch belastet, verursacht von gut 7 Prozent der Befragten, die ihre Fehlkäufe wegwerfen. Über die Hälfte der Fehlkäufe verbleibt beim Kunden, davon wird jedes dritte Produkt nicht genutzt und verstaubt etwa im Keller.
Fehlkaufvermeidungsstrategien sind weit verbreitet
„Fehlkäufe, das zeigen unsere Daten sehr klar, sind in Deutschland eher die Norm als die Ausnahme. Weit verbreitet, und das hat uns dann doch etwas überrascht, sind aber auch Maßnahmen, die im Alltag bewusst genutzt werden, um Fehlkäufe zu vermeiden. Das heißt: Ein Problembewusstsein ist vorhanden und die Menschen streben bessere Konsumentscheidungen an“, meint Andreas Neus, Geschäftsführer des NIM. Die am weitesten verbreitete Strategie ist, sich bei Kaufentscheidungen nicht unter Druck setzen zu lassen. Auch gezielte Einkaufsvorbereitung und Recherche sind häufig genutzte Maßnahmen. Wer sich vor dem Kauf mit der Lektüre von Testberichten vorbereitet, nutzt vor allem solche von Profis. Erst danach folgt die Informationsgewinnung mittels Online-Bewertungen von Kunden oder die Expertise von Leuten aus dem eigenen Umfeld.
Gerade junge Konsumenten ergreifen die falschen Fehlkaufvermeidungsmaßnahmen
Wo kommen die vielen Fehlkäufe dann her, wo Vermeidungsstrategien doch so weit verbreitet sind? Die NIM-Daten liefern dazu folgenden Erklärungsansatz: Personen nutzen Vermeidungsstrategien, die nicht gut auf die Ursache des Fehlkaufs abgestimmt sind. Beispiel Konsumenten unter 30 Jahren: Fehlkäufe tätigt diese Gruppe nach eigenen Angaben überproportional häufig aufgrund von verlockenden Angeboten und schlechter eigener Informationslage. Der Einkauf unter Zeitdruck ist selten für einen Fehlgriff ursächlich. Trotzdem ist „Zeit nehmen für die Kaufentscheidung“ die am häufigsten genutzte Vermeidungsstrategie. Die Recherche, ob ein Sonderangebot wirklich gut ist – zur Erinnerung: nach eigenen Angaben der Befragten Ursache Nummer eins für Fehlkäufe – kommt in dieser Gruppe leider kaum zum Einsatz.
Ältere Personen sehen die Verantwortung für Fehlkäufe vor allem beim Konsumenten selbst, jüngere Personen bei Herstellern und Händlern
Verlockende Angebote und Werbung werden auch auf Ebene der Gesamtbevölkerung mit Abstand am häufigsten genannt, wenn nach den Gründen für Fehlkäufe gefragt wird. Nichtsdestotrotz sehen Befragte zwischen 60 und 74 Jahren die Verantwortung für Fehlkäufe hauptsächlich beim Konsumenten selbst. Best-Ager scheinen also zu akzeptieren, dass Werbung teilweise falsche Erwartungen weckt. Wer sich davon verführen lässt, ist selbst schuld. Ganz anders die unter-30-jährigen: Hier sieht die Mehrheit die Verantwortung für Fehlkäufe bei Herstellern und Händlern. Es sind auch die jungen Leute, die überdurchschnittlich häufig fordern, der Gesetzgeber solle Hersteller und Händler durch Auflagen verpflichten, kaufrelevante Informationen in objektiver und leicht vergleichbarer Art darzustellen. Was bleibt ist die Frage, ob jüngere Personen besonders werbekritisch sind oder ob die Kritik mit steigendem Alter, Erfahrung und dann wahrscheinlich weniger Fehlkäufen abnimmt. Hierzu wären weitere Untersuchungen wünschenswert.
Studie und Fragebogen wurden konzipiert vom Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM). Erhoben wurden die Daten mit dem GfK eBUS®. Dafür wurden 1.007 Personen im Alter von 18-74 Jahren befragt, die die deutschsprachige Bevölkerung repräsentieren. Die Befragung wurde im Zeitraum 30.03.2023 bis 02.04.2023 durchgeführt.
Key Insights:
- 9 von 10 Personen in Deutschland tätigen von Zeit zu Zeit Fehlkäufe. Der finanzielle Umfang betrug in den vergangenen 12 Monaten insgesamt knapp 9 Milliarden Euro.
- Jüngere Personen greifen häufiger daneben als ältere. Ihre Ausgaben für Fehlkäufe liegen etwa achtmal höher als bei den 60-74-jährigen.
- Die meisten Fehlkäufe werden online getätigt, die häufigste Reaktion darauf ist, das Produkt an den Händler zurückzugeben. Über die Hälfte der Fehlkäufe verbleiben jedoch – nicht selten ungenutzt – beim Kunden oder landen im Müll.
- Strategien zur Vermeidung von Fehlkäufen sind weit verbreitet, aber ineffektiv. Junge Konsumenten greifen etwa häufig aufgrund verlockender Angebote daneben, die Recherche, ob ein Sonderangebot wirklich gut ist, wird als Strategie nur selten genutzt.
- Angebote und Werbung sind der wichtigste Grund für Fehlkäufe. Ältere Personen sehen die Verantwortung für Fehlkäufe dennoch vor allem beim Konsumenten selbst, jüngere Personen bei Herstellern und Händlern.
Über das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen e. V.
Das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) ist ein Non-Profit-Institut zur Erforschung von Konsum- und Marktentscheidungen. An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis untersucht das NIM, wie sich Entscheidungen von Verbrauchern und Unternehmensentscheidern angesichts neuer technologischer und gesellschaftlicher Trends verändern und zu welchen Folgen das führt. Das NIM generiert aus seiner Forschung neue und relevante Erkenntnisse, wie Menschen bessere Entscheidungen in Märkten treffen können.
Das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen ist Gründer und Ankeraktionär der GfK SE. Weitere Informationen unter www.nim.org und auf Twitter und LinkedIn.
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