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Vertrauen: Wie beeinflusst Blickkontakt die Beziehung zwischen Mensch und Roboter bei Kaufentscheidungen?

Blickkontakt ist eine der wirkungsvollsten Möglichkeiten, Kontakt und Beziehungen mit Menschen aufzubauen – egal, ob beim ersten Date, mit einem alten Freund oder potenziellen Kundinnen oder Kunden. Er signalisiert nicht nur Aufmerksamkeit, sondern schafft auch Vertrauen. Beides mindert wahrgenommene Risiken und kann die Entscheidungsfindung beschleunigen. Doch was passiert, wenn wir mit künstlicher Intelligenz interagieren? Sind Roboter und andere intelligente Agenten in der Lage, durch Blickkontakt menschliches Vertrauen zu gewinnen und menschliche Entscheidungen zu beeinflussen?

Mit der zunehmenden Nutzung von intelligenten Agenten in der Interaktion mit Konsumentinnen und Konsumenten ist diese Fragestellung in vielen Branchen von entscheidender Bedeutung für die künftige Kundeninteraktion. Die Finanzbranche ist hier ein Vorreiter, weil sogenannte Robo-Advisors als neues Tool für die digitale Vermögensverwaltung im Mainstream angekommen sind.

Der Einsatz künstlicher Intelligenz in Form von virtuellen Agenten und humanoiden Robotern als Finanzberater anstelle von rein textbasierten Interfaces, die derzeit den Markt dominieren, hat das Potenzial, die Qualität der Interaktion mit den Kundinnen und Kunden und deren Kaufentscheidungen zu verändern. Die Frage, welche Wirkung die zunehmend anthropomorphe Anmutung intelligenter Agenten auf das Vertrauen von Kundinnen und Kunden in die Beratung und die angebotenen Finanzprodukte hat, ist wichtig – sowohl für Anbieter als auch für Konsumentinnen und Konsumenten und nicht zuletzt für uns als Gesellschaft.

Untersuchungen zu Robotern und Empfehlungsagenten zeigen, dass ein höheres Maß an Anthropomorphismus eher zu einem größeren Vertrauen und einer gestiegenen Nutzungsabsicht führt. Allerdings gibt es auch sich widersprechende Forschungsergebnisse und das Zusammenspiel aller Einflussfaktoren ist noch nicht vollständig untersucht

Die Key Findings

  • Das menschenähnliche Erscheinungsbild des Beraters ist entscheidend, wenn es um Vertrauen und Entscheidungszufriedenheit geht.
  • Virtuelle soziale Roboter werden als vertrauenswürdiger eingeschätzt als Robo-Advisors auf Basis rein textbasierter Webseiten.
  • Auf den Blickkontakt kommt es an – sogar bei Robotern. Für Entwickler von Mensch-Roboter-Interaktionen heißt das, auf Augenkontakt mit Verbraucherinnen und Verbrauchern zu achten. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich bewusst sein, dass die Beratung durch eine „menschlichere“ künstliche Intelligenz möglicherweise auch zu mehr Bereitschaft führt, deren Empfehlungen zu folgen.

Auswirkungen von unterschiedlichem menschenähnlichen Aussehen und Verhalten

Dieses Projekt zielt darauf ab, die Forschungsfrage zu beleuchten, wie sich unterschiedliches menschenähnliches Aussehen und Verhalten eines Roboter-Beraters auf das Vertrauen und die Investitionsentscheidungen der Verbraucherinnen und Verbraucher auswirken. Das Projektteam konzentriert sich dabei vor allem auf den Blickkontakt als wichtigstes nonverbales Signal der sozialen Interaktion zwischen Menschen. Dazu wurde ein Online-Experiment durchgeführt, bei dem Testpersonen dazu eingeladen wurden, sich mit dem Thema „Geldanlage“ zu beschäftigen. Anschließend führten sie ein virtuelles Beratungsgespräch mit einem Finanzberater, der auch einen Investitionsvorschlag machte. Danach sollten die Testpersonen über die Höhe ihres Investments und die Art des Vermögensmanagements (menschlich oder maschinell) entscheiden. Um die Incentivierung möglichst realistisch zu gestalten, wurde das gewählte Investment simuliert und – umgerechnet in eine Teilnahmegebühr – ausgezahlt.

Beratung mit professioneller Schauspielerin und Social Robot Furhat

Da die USA in diesem Bereich schon am weitesten sind, wurde das Experiment online mit rund 4.500 Personen aus den USA durchgeführt, die nach dem Zufallsprinzip in eine von neun Experimentalgruppen verteilt wurden. Die Gruppen unterschieden sich in den Bedingungen „Blickkontakt des Finanzberaters“ (mit und ohne Blickkontakt) und „Gestalt des Finanzberaters“, bei der die Kategorien Mensch, gefilmter physischer Roboter, virtueller Roboter mit menschenähnlichem Gesicht, virtueller Roboter mit Plastikgesicht und einfache Webseite zum Einsatz kamen. Die Beratungsgespräche wurden mit einer professionellen Schauspielerin und dem voll programmierbaren Social Robot Furhat realisiert. Von beiden wurden typische Sprechsegmente einer Finanzberatung gefilmt und dann zu einem nahtlosen virtuellen Beratungsdialog zusammengesetzt. Im Fragebogen machten die Teilnehmenden Angaben zur Wahrnehmung der Finanzberatung, zu ihrer eigenen Reaktion und Entscheidung sowie zu ihrem technischen, finanziellen und soziodemografischen Hintergrund.

Trust in Robots

Menschenähnliches Auftreten macht den Unterschied

Die Ergebnisse zeigen: Das menschenähnliche Erscheinungsbild des Beraters ist entscheidend. Den Robotern wurde zwar weniger vertraut als dem Menschen, aber die Roboter führten im Vergleich zur textbasierten Webseite zu einer besseren Beurteilung der Relevanz der Empfehlung, zu einer höheren Zufriedenheit mit der eigenen Entscheidung, zu einer größeren Gesamtzufriedenheit und zu einer höheren Wahrscheinlichkeit, sich für die maschinell verwaltete Anlage zu entscheiden.

Es wird außerdem deutlich: Blickkontakt mit Robotern wirkt weniger stark – aber ähnlich wie der Blickkontakt mit einem menschlichen Berater –, ist aber wesentlich für Vertrauen und Zufriedenheit. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Blickkontakt mit einem Roboter-Berater hatten, stuften den Berater kompetenter ein, empfanden ein höheres Vertrauen zu dem Berater, mochten den Berater mehr, waren insgesamt zufriedener und zeigten eine höhere Weiterempfehlungsbereitschaft. Die gute Nachricht für Konsumentinnen und Konsumenten: Der Blickkontakt allein führt jedoch nicht direkt gleich zu höheren Investitionen. Es gibt nur Indizien für einen schwachen indirekten Zusammenhang. Denn Blickkontakt erhöht das Vertrauen und höheres Vertrauen geht neben gesteigerter Risikoaffinität mit höheren Investitionen einher.

Anbieter, auch in anderen Branchen, haben die Möglichkeit, durch die neue Technologie die wahrgenommene Qualität ihrer Beratung und ihrer Touchpoints mit ihren Konsumentinnen und Konsumenten – gegenüber textbasierten Agenten – zu erhöhen. Konsumentinnen und Konsumenten sollten sich bewusst sein, dass sie auf anthropomorphe künstliche Intelligenz tendenziell mit mehr Vertrauen – und ggf. mehr Bereitschaft, der Beratung zu folgen – reagieren und dies bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Und für einen faktenbasierten und konstruktiven gesellschaftspolitischen Diskurs zur künftigen Rolle der künstlichen Intelligenz ist es wichtig, die Möglichkeiten und Grenzen von Unterstützung und Manipulation menschlicher Konsumentscheidungen zu kennen.