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CO2-Kompensationen im Urteil der Verbraucher
DownloadNürnberg Institut für Marktentscheidungen (2024). CO2-Kompensationen im Urteil der Verbraucher. NIMpulse 5.
2024
Tobias Biró,
Holger Dietrich
CO2-Kompensationen im Urteil der Verbraucher
Für die einen sind sie Greenwashing mit unklarem Nutzen für Umwelt und Klima. Für andere ein pragmatisches Vehikel, um etwas gegen (noch) nicht vermeidbare Emissionen zu tun: CO2-Kompensationen sind in der Fachwelt stark umstritten, spielen in der Praxis aber eine große Rolle.
So leisten laut bitkom 42 Prozent der Unternehmen in Deutschland Kompensationen. Laut vorliegender Studie geben außerdem 60 Prozent der Deutschen an, ihre CO2-Emissionen schon mal kompensiert zu haben.
Das NIM möchte einen Markt beleuchten, der sich bei Verbrauchern und Unternehmen scheinbar großer Beliebtheit erfreut, auf den Gerichte und der Gesetzgeber gleichzeitig aber Druck ausüben.
Die Key Insights:
- 60 Prozent der Deutschen geben an, ihre CO2-Emissionen schon mal kompensiert zu haben. Viele sind sogar gewillt, zukünftig noch mehr zu kompensieren.
- Kompensationsnutzer sind eher jung, besser gebildet und gut verdienend. Sie sind darüber hinaus kritische Beobachter von Wetterphänomenen und mit stärkerem Umweltbewusstsein ausgestattet.
- Vor allem Verantwortungsbewusstsein und sozialer Druck motivieren die Menschen zur Kompensation von Emissionen. Sozialer Druck ist dabei zwar ein selten genanntes, aber besonders wirksames Motiv.
- Kompensationshindernisse bestehen vor allem in prinzipiellen Bedenken. Fast jeder zweite Befragte teilt die Überzeugung, dass Kompensationen eigentlich der falsche Weg sind.
- Bereits im Preis enthaltene Kompensationen sind deutlich populärer als eine freiwillige Kompensation gegen Aufpreis. Anbieter sind gut beraten, ihren Kunden die Kompensationsentscheidung abzunehmen.
Kompensationsnutzung
60 Prozent der Deutschen geben an, ihre CO2-Emissionen schon mal kompensiert zu haben. Etwa 40 Prozent der Deutschen haben ihre Emissionen dagegen noch nie bewusst kompensiert. Davon kennt etwa die Hälfte den Begriff nicht, die andere Hälfte verzichtet bewusst auf Kompensationszahlungen.
Das Potenzial für Kompensationen scheint noch nicht ausgeschöpft zu sein. Beinahe 70 Prozent der Befragten geben an, in Zukunft mehr kompensieren zu wollen als bisher. Jeder zehnte Befragte möchte das nicht tun.
Kompensationsnutzer
Kompensationsnutzer sind eher jung, formal besser gebildet und gut verdienend. Sie blicken außerdem aufmerksam auf besondere Wetterphänomene und sind insgesamt im Alltag umweltbewusster unterwegs.
Dass CO2-Kompensationen bei umweltorientierten Menschen eine hohe Akzeptanz genießen, ist einerseits wenig überraschend, andererseits dann aber doch. Schließlich ist das Instrument und seine Wirkung umstritten. Viele Umwelt-und Klimaschutzverbände lehnen Kompensationen ab und fordern stattdessen allein Einsparungen. Für Hersteller und Händler, die umweltbewusste Kunden adressieren wollen, folgt daraus, dass sie gut abwägen müssen, ob ein Kompensationsengagement positiv aufgenommen oder als Greenwashing verurteilt wird.
Kompensationsneigung
Jeder zweite Befragte, der angibt, bereits freiwillig Emissionen kompensiert zu haben, tut dies um bewusst und verantwortungsvoll zu konsumieren. Für viele sind Kompensationszahlungen auch ein Vehikel, um Umwelt und Klima zu entlasten. Jeden vierten Kompensierer treibt an, „verursachten Schaden“ durch Kompensationen wiedergutzumachen. Immerhin 8 Prozent der Kompensierer fühlen sich vom eigenen Umfeld unter Druck gesetzt.
Kein wirksamer Motivator im Kontext von Kompensationen ist übrigens die Angst vor dem Klimawandel. Zwar geben viele Menschen an, dass sie dieses Motiv beeinflusst. Der tatsächlich beobachtbare Effekt ist aber gering, siehe Schaubild. Gleiches gilt für das Motiv, nicht verzichten zu können und trotzdem etwas für Klima und Umwelt zu tun.
Wer mehr Menschen für ein höheres Kompensationsengagement gewinnen möchte, sollte demnach positiv an das individuelle Verantwortungsbewusstsein und den bewussten Konsum appellieren.
Kompensationshindernisse
Fast jeder zweite Befragte hält Kompensationen allgemein für den falschen Weg. Auch der Emissionsausgleich durch individuell umweltschonendes Alltagsverhalten und das fehlende Vertrauen in die Anbieter sind häufig vorgetragene Gründe, die Menschen von einer (weitergehenden) Kompensation abhalten. Jedem Dritten sind die Kosten zu hoch. Fehlende Gewohnheiten oder ein Mangel an (guten) Anbietern spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle.
Besonders auffällig ist, dass es unter Menschen mit hohem Bildungsabschluss besonders viele gibt, die Emissionen kompensieren, und gleichzeitig besonders viele, die in Kompensationen prinzipiell den falschen Weg sehen. Diese Personengruppe scheint also besonders gespalten zu sein in ihrer Haltung.
Hersteller und Händler, die insbesondere diese Personengruppe ansprechen möchte, sind gut beraten, das eigene Kompensationsengagement besonders kritisch zu prüfen.
Autorinnen und Autoren
- Dr. Michael K. Zürn, Senior Researcher, NIM, michael.zuern@nim.org
- Tobias Biró, Research Communication Manager, NIM, tobias.biro@nim.org
- Holger Dietrich, Senior Researcher, NIM, holger.dietrich@nim.org
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