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ChatGPT und Co. im Alltag: Nutzung, Bewertung und Zukunftsvisionen (NIMpulse 7)
DownloadNürnberg Institut für Marktentscheidungen (2024). ChatGPT und Co. im Alltag: Nutzung, Bewertung und Zukunftsvisionen. Ein Drei-Länder-Vergleich. NIMpulse 7.
2024
Dr. Fabian Buder,
Tobias Biró
ChatGPT und Co. im Alltag: Nutzung, Bewertung und Zukunftsvisionen
Mit der Veröffentlichung des Chatbots ChatGPT im November 2022 scheint das Thema Künstliche Intelligenz einen festen Platz im breiten öffentlichen Diskurs gefunden zu haben. Während die Technologie einerseits als hilfreiche Innovation für viele Bereiche von Forschung und Wirtschaft gefeiert wird, sorgt die gesellschaftliche Etablierung andererseits auch für ethische und urheberrechtliche Bedenken.
Abseits solcher Grundsatzdiskussionen wird vor allem ChatGPT bereits von großen Teilen der Bevölkerung genutzt. Das Tool nutzt KI, um menschliche Sprache zu verstehen und eine Antwort zu erzeugen. Dabei sind vielfältige Einsatzmöglichkeiten denkbar. Doch für welche konkreten Zwecke verwenden es Nutzer in den USA, Deutschland und dem Vereinigten Königreich aktuell? Wie zufrieden sind sie damit? Und wo sehen sie weitere Einsatzbereiche?
Im Drei-Länder-Vergleich analysiert das NIM Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Wie blicken die Nationen auf Shopping, Alltag und eine Zukunft mit ChatGPT und Co.?
Die Key Insights:
Der typische ChatGPT-Nutzer: Jung, mit hohem Bildungsabschluss und hohem Einkommen.
Nutzung und Bewertung von ChatGPT: In den untersuchten Ländern überwiegt die private Nutzung. Deutsche bewerten das Tool tendenziell kritischer als Briten und US-Amerikaner. Letztere nutzen es vielfältiger.
Shoppen mit ChatGPT: Die große Mehrheit sieht dabei großes GenAI-Potenzial. In den USA ist das Gros der Nutzer sogar der Meinung, dass die Tools bei Produktempfehlungen mindestens ebenso glaubwürdig sind wie menschliche Experten.
Alltag mit ChatGPT: Die Angaben des Tools genießen bei Nutzern grundsätzlich großes Vertrauen. Sie sehen vielfältige potenzielle Einsatzmöglichkeiten im Alltag, etwa bei der Ordnung und Prüfung von Nachrichten und Wissen.
Zukunft mit KI: In allen drei Ländern dominiert ein eher pessimistischer Blick nach vorne. Eine große Sorge ist vor allem der Arbeitsplatzverlust durch KI. Da überrascht es nicht, dass sich eine Mehrheit eine stärkere Regulierung wünscht.
Der typische ChatGPT-Nutzer
Mindestens 60 Prozent der Bevölkerung aller drei Länder haben schon einmal von ChatGPT gehört. Von diesen Personen nutzt etwa die Hälfte auch den Chatbot. In Deutschland bezeichnen sich damit ca. 30 Prozent der Gesamtbevölkerung als Nutzer. Deutliche Unterschiede zwischen Deutschland und den beiden anderen Ländern zeigen sich insbesondere in der Nutzung der kostenpflichtigen Aboversion von ChatGPT: Während nur 17 Prozent der deutschen Nutzer für die Anwendung bezahlen, sind es in UK 24 Prozent und in den USA 29 Prozent.
Interessant sind hier die Unterschiede zwischen den Ländern im Detail: Während in UK und den USA etwa gleich viele Männer und Frauen ChatGPT schon mal genutzt haben, klafft diesbezüglich in Deutschland eine große Lücke. Und während in Deutschland die Nutzung auch stark vom Bildungsabschluss abhängt, gibt es in den USA diesbezüglich keine Unterschiede. Dafür ist in den USA die Lücke zwischen den Einkommensgruppen am größten. Sollte generative KI (GenAI) tatsächlich zu höherer Produktivität beitragen, wäre die Politik gut beraten diese Unterschiede im Auge zu behalten und gegenzusteuern.
Nutzung und Bewertung von ChatGPT
Ca. 60 Prozent aller ChatGPT-Nutzer in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den USA nutzen den Chatbot derzeit überwiegend privat. In Deutschland ist der Anteil der Nutzer, die angeben, das Tool überwiegend beruflich zu nutzen, mit 23 Prozent am höchsten. Im Vereinigten Königreich und in den USA gibt es dafür deutlich mehr Personen, die berichten ChatGPT gleichermaßen privat und beruflich nutzen.
In Deutschland dominieren aktuell die fast schon als klassisch zu bezeichnenden Funktionen im Bereich Textarbeiten. Im Vereinigten Königreich und mehr noch in den USA gehen die Nutzer schon vielfältiger mit ChatGPT um. Hier nutzen bereits viele das Tool als Alternative zur Suchmaschine (33 bzw. 35 Prozent), zur Unterhaltung und Bespaßung (26 bzw. 32 Prozent) sowie für die Ideengewinnung (29 bzw. 33 Prozent). Auch der Einsatz zur Bildung und zum Training ist hier weiter verbreitet (26 bzw. 27 Prozent) als in Deutschland (17 Prozent).
ChatGPT-Nutzer in Deutschland stimmen kritischen Statements zur Funktionsweise des Tools deutlich häufiger zu als solche in UK und den USA. Sie sind etwa öfter der Meinung, dass der Chatbot eher eine Spielerei und (noch) nicht ausgereift ist. Amerikanische und britische Nutzer sind positiver eingestellt: Sie sind häufiger als deutsche Nutzer der Meinung, dass ChatGPT die Entscheidungsqualität erhöht. Kleine Abweichung: Etwas mehr Nutzer in Deutschland möchten nicht mehr auf das Tool verzichten (13 Prozent vs. 7 bzw. 9 Prozent).
Viele Befragte können sich auch vorstellen, ChatGPT künftig als Assistenz, zur Bildung und zum Training und als Partner bei der Gewinnung neuer Ideen zu nutzen. Die Befragten aus UK und den USA können sich deutlich mehr künftige Nutzungsarten vorstellen. Besonders groß ist der Abstand etwa bei den Tätigkeiten „Neue Ideen für kreative Aufgaben gewinnen“ und bei „Lösungen für Probleme im Alltag finden“.
Klar ist: Menschen in Deutschland nutzen das Tool nicht nur seltener. Diejenigen, die es nutzen, nutzen es auch weniger vielfältig als Personen in englischsprachigen Ländern, und sie bewerten ChatGPT im Durchschnitt tendenziell kritischer. Ob das an den sprachlichen Fähigkeiten des Tools liegt oder andere Gründe hat, kann hier nicht beantwortet werden.
Spannend ist in jedem Fall, wie viele Funktionen die KI vor allem für englischsprachige Nutzer bereits jetzt erfüllt. Jeder Dritte nutzt dort ChatGPT etwa als Alternative zur Suchmaschine. Müssen Google und Co. um ihr Geschäftsmodell fürchten?
Shoppen mit ChatGPT
Generell können es sich Personen aus den USA am ehesten vorstellen, ChatGPT beim Produktkauf zu verwenden (Anteil: 80 Prozent). Auch im Vereinigten Königreich (73 Prozent) und in Deutschland (60 Prozent) zeigt sich eine Mehrheit an entsprechenden Funktionen interessiert. 41 Prozent der Deutschen geben aber auch an, keine der zur Auswahl stehenden Anwendungen im Einkaufskontext nutzen zu wollen. In UK (27 Prozent) und den USA (20 Prozent) ist der Anteil hier deutlich geringer.
Auf welche konkrete Art und Weise würden Konsumenten ChatGPT gerne beim Produktkauf nutzen? Gut vorstellbar ist für eine relative Mehrheit der Befragten der Einsatz beim Vergleich von Produkten und bei Preisrecherchen. Aber auch die Unterstützung beim Screening von Produkt- und Nutzerbewertungen wird von vielen genannt. Nutzungsarten mit den wenigsten Nennungen sind etwa „Informationsquelle über Investmentmöglichkeiten“ und der Erhalt konkreter Kaufempfehlungen.
Insbesondere in Deutschland und dem Vereinigten Königreich findet eine Mehrheit einen menschlichen Experten glaubwürdiger als einen intelligenten Chatbot wie ChatGPT. Der Vorsprung der menschlichen Experten ist in UK aber relativ klein. Immerhin 36 Prozent haben hier ein höheres oder gleich großes Vertrauen in ChatGPT. In den USA ist mit 42 Prozent sogar eine Mehrheit der Meinung, dass ChatGPT glaubwürdiger oder ebenso glaubwürdig ist wie ein Mensch.
Insgesamt stehen die Chancen nicht schlecht, dass aus ChatGPT oder einem anderen GenAI-Tool ein neuer Shopping-Gatekeeper erwächst. Unternehmen sollten sich zeitnah Gedanken machen, wie sie ihren Vertrieb nicht nur suchmaschinenoptimiert, sondern auch GenAI-optimiert gestalten können.
Alltag mit ChatGPT
Das allgemeine Vertrauen ist je nach Land etwas stärker oder schwächer ausgeprägt. Während in Deutschland etwa 65 Prozent der Chatbot-Nutzer dessen Angaben vertrauen, sind es im Vereinigten Königreich und den USA sogar knapp 80 Prozent. Umgekehrt vertraut in Deutschland etwa jeder Dritte Nutzer den Antworten, Informationen und Vorschlägen von ChatGPT nicht, im Vereinigten Königreich und in den USA sind es jeweils 18 Prozent.
Von den befragten Personen kann sich in allen drei untersuchten Ländern eine klare Mehrheit vorstellen, das Tool für (weitere) Alltagszwecke zu nutzen. 4 von 5 befragte ChatGPT-Nutzer in den Vereinigten Staaten sind offen dafür, das Tool auch für solche Zwecke im Alltag einzusetzen, die bislang ggf. noch nicht in Betracht gezogen wurden. In UK (69 Prozent) und Deutschland (62 Prozent) liegt der Anteil nur leicht darunter.
Gefragt nach konkreten Alltags-Nutzungsarten, nennen die meisten befragten Personen die Möglichkeit, mit dem Chatbot Informationen und Nachrichten zu prüfen. Ähnlich populär ist die Zusammenfassung und Aufbereitung von Nachrichten und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Befragten sehen das Tool also am ehesten als Helfer bei der Aufgabe, Nachrichten und Wissen zu ordnen und zu prüfen. Seltener werden konkrete Empfehlungen erwartet, etwa zu Karriere oder zu politischen Wahlen.
Diese Befunde sprechen dafür, dass sich Organisationen – und auch Akteure in Politik und Wissenschaft – Gedanken um ChatGPT machen sollten. Aktuelle Nutzer des Tools, und insbesondere diejenigen in den englischsprachigen Ländern, bringen den generierten Inhalten – trotz Halluzinationsproblem – ein hohes Maß an Vertrauen entgegen. Mit ChatGPT und anderen GenAI-Tools wachsen auch im Informationsbereich potenzielle neue Gatekeeper heran, die Einfluss auf Politik und Wirtschaft ausüben können. Verlage und Nachrichtenagenturen werden sich überlegen müssen, wie eine Koexistenz aussehen kann.
Zukunft mit KI
In allen drei Ländern schauen die Befragten eher pessimistisch nach vorne. Eine große Sorge ist, dass wegen KI Jobs wegfallen werden. Diese Sorge teilt über alle drei Länder hinweg etwa jeder zweite Befragte, wobei die Menschen in den USA und UK insgesamt etwas gespaltener sind als in Deutschland, wo dafür ein höherer Anteil der Personen keine Meinung hat. Ein großer Teil der Befragten ist außerdem der Ansicht, dass durch KI Kreativität und Wissen verloren gehen. Was die Objektivität von KI angeht, ist die Mehrheit in allen drei Ländern noch ohne klare Meinung. Die Deutschen sind hierbei etwas pessimistischer als die Briten und US-Amerikaner.
Besonders in Deutschland populär ist eine Kennzeichnungspflicht bei Inhalten, die von KI erstellt wurden. Diese wünscht sich jeder Zweite, auch in UK und den USA fänden das viele Befragte sinnvoll. Ebenfalls vergleichsweise hohe Zustimmung erhält die Pflicht einer Offenlegung von Partnerschaften zwischen der KI und Marken bzw. Herstellern. Dass die Politik sich heraushält, das wird vornehmlich von amerikanischen Befragten gefordert, wenn auch dort nur von einer Minderheit (28 Prozent).
Obwohl derzeit mehr Menschen in UK und den USA GenAI nutzen und obwohl diese Personen von hoher Zufriedenheit berichten, unterscheiden sie sich in ihrer pessimistischen Zukunftserwartung KI betreffend kaum von den Befragten in Deutschland.
Vielleicht unterscheiden die Befragten zwischen KI und ChatGPT. Oder sie werden durch die Leistung aktueller GenAI-Tools bestärkt in ihrer Sorge vor Arbeitslosigkeit. In jedem Fall ist der Wunsch nach mehr Regulierung klar, und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich nicht nur das technologische, sondern auch das regulatorische Umfeld in nächster Zeit verändern wird.
Autorinnen und Autoren
- Dr. Carolin Kaiser, Head of Artificial Intelligence, NIM, carolin.kaiser@nim.org
- Dr. Fabian Buder, Head of Future & Trends, NIM, fabian.buder@nim.org
- Tobias Biró, Research Communication Manager, NIM, tobias.biro@nim.org
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